Die öffentliche Verwaltung befindet sich in einem fundamentalen Spannungsfeld: Einerseits wird sie von Bürger:innen, Politik und Wirtschaft erwartet, effizient, digital und bürgernah zu agieren. Andererseits sind viele ihrer Strukturen auf langfristige Planbarkeit, Regelkonformität und Risikovermeidung ausgerichtet. In diesem Spannungsfeld stellt sich die Frage: Kann Agilität ein Zukunftsmodell für die Verwaltung sein? Und wenn ja – wie?
Warum Agilität auch im öffentlichen Sektor sinnvoll ist
Agilität wird oft mit der Privatwirtschaft oder Start-ups assoziiert. Doch im Kern geht es um Prinzipien, die auch für den öffentlichen Sektor hoch relevant sind:
- Iteratives Arbeiten statt starrer Langfristplanung
- Kundenzentrierung – oder in diesem Fall: Bürger:innenorientierung
- Selbstorganisierte Teams und interdisziplinäre Zusammenarbeit
- Transparente Kommunikation und kontinuierliches Lernen
Gerade in komplexen Problemfeldern – vom Klimaschutz bis zur Fachkräftegewinnung – kann ein agiles Mindset helfen, pragmatischer, flexibler und reaktionsfähiger zu handeln.
Praxisbeispiel 1: Agile Coaches im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)
Das BMAS hat sich frühzeitig auf den Weg gemacht und eine interne Agile-Community aufgebaut. Mitarbeitende wurden zu Agile Coaches weitergebildet, um Kolleg:innen in neuen Arbeitsformen zu begleiten. Mit der Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft wurde zudem ein Raum geschaffen, in dem politische Impulse agil und iterativ entwickelt werden. Ziel ist es, digitale Transformation nicht nur technisch, sondern auch kulturell voranzutreiben.
→ Quelle: BMAS – Moderne Verwaltung
Praxisbeispiel 2: Bundesagentur für Arbeit (BA) als digitale Vorreiterin
Die BA hat bereits in mehreren Projekten agile Methoden eingeführt – etwa bei der Entwicklung neuer digitaler Services für Bürger:innen und Unternehmen. In interdisziplinären Teams arbeiten IT, Recht und Fachbereiche zusammen, um Lösungen iterativ zu entwickeln. So konnten Prozesse verkürzt und digitale Angebote stärker an den tatsächlichen Bedürfnissen der Nutzer:innen ausgerichtet werden.
→ Quelle: CIO.de – Digitale Agenda der BA
Kommunale Verwaltung: Agilität beginnt vor Ort – aber nicht ohne Politik
Während Bund und Länder mit agilen Projekten experimentieren, liegt das größte Veränderungspotenzial auf kommunaler Ebene. Städte und Gemeinden sind oft direkt mit den Herausforderungen konfrontiert: Bürger:innenanliegen, Infrastrukturprojekte, Integration, Bildung, Klimaanpassung. Hier kann agiles Arbeiten helfen, schneller, beteiligungsorientierter und ressourcenschonender zu agieren.
Doch ein zentraler Faktor wird dabei oft übersehen: Die Zusammenarbeit mit politischen Gremien wie Gemeinderäten oder Stadträten.
Vertrauen – der unterschätzte Hebel für Veränderung
Agilität funktioniert nur, wenn Verwaltung und Politik vertrauensvoll und partnerschaftlich zusammenarbeiten:
- Politische Entscheidungsprozesse folgen anderen Logiken als agile Methoden. Vertrauen hilft, diese Welten zu verbinden.
- Verwaltung braucht den Rückhalt der politischen Gremien, um mutig Neues auszuprobieren – ohne Angst vor Kritik bei Rückschlägen.
- Gemeinderäte benötigen Transparenz und Einbindung, um agile Vorhaben nachvollziehen und mittragen zu können.
Vertrauen ist dabei kein „weicher Faktor“, sondern das Fundament, auf dem Agilität überhaupt gedeihen kann.Es ermöglicht Experimentierräume, verkürzt Entscheidungswege und schafft ein Klima, in dem alle Beteiligten gemeinsam lernen und gestalten können.
Was URBAN2U beitragen kann
URBAN2U begleitet Verwaltungen auf allen Ebenen – vom Ministerium bis zur Kommune – auf dem Weg in eine zukunftsfähige Arbeitskultur. Dabei stehen nicht nur Tools und Methoden im Fokus, sondern vor allem:
🔹 Mindset- und Kulturarbeit
Wir unterstützen Führungskräfte, Teams und Projektverantwortliche dabei, agile Prinzipien in Einklang mit dem Verwaltungsalltag zu bringen – wertschätzend, wirkungsorientiert und realistisch.
🔹 Agile Formate für Gremien und Beteiligung
Ob Gemeinderat, Beirat oder Bürgerversammlung – wir entwickeln Beteiligungsprozesse, die auf Vertrauen, Transparenz und konstruktivem Dialog basieren.
🔹 Coaching & Qualifizierung
Mit maßgeschneiderten Trainings und Coachingprogrammen stärken wir die interne Veränderungskraft – etwa durch die Ausbildung interner Agile Coaches oder die Begleitung von Pilotprojekten.
Fazit: Agilität ist kein Widerspruch zur Verwaltung – sondern eine Chance für ihre Zukunft
Agilität muss nicht im Gegensatz zu Ordnung, Recht und Verlässlichkeit stehen. Richtig verstanden bedeutet sie, schneller zu lernen, besser zuzuhören, frühzeitig zu korrigieren – und bürgernäher zu handeln. Mit Mut, Vertrauen und der richtigen Begleitung kann aus der „Behörde von gestern“ eine Gestaltungsplattform für morgen werden.